Tierversuche

Alle drei Minuten stirbt in Österreich ein Tier in einem Tierversuch.

2017 wurden mehr als 250.000 Wirbeltiere und etwa 20.000 Fische für Tierversuche in Österreich verwendet.

Die meisten Tiere, die für wissenschaftliche Experimente leiden und/oder sterben, sind in dieser Zahl allerdings noch gar nicht erfasst, denn Versuche an Tieren, die bereits vor dem eigentlichen Versuch getötet wurden sowie Versuche an wirbellosen Tieren gelten gar nicht erst als Tierversuche. Weiters werden weitaus mehr Tiere gezüchtet, als überhaupt benötigt werden, um diese jederzeit verfügbar zu haben. Bei Ratten und Mäusen liegt dieser „Ausschuss“ bei über 80%.

Auch ohne Versuche ist die Haltung der Tiere mit Leiden verbunden. Ihr Leben verbringen sie meist in kleinen, strukturlosen Käfigen, aus denen sie nur für die Versuche geholt werden. So müssen zum Beispiel Ratten in der Regel in winzigen Kunststoffkästen leben, in denen sie sich nicht einmal aufrichten können. Diese Kästen sind rundherum durchsichtig und es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten. 2/3 einer A4-Seite stehen einer erwachsenen Ratte im Versuchslabor laut Gesetz zum Leben zur Verfügung, 1/6 ist es für eine erwachsene Maus.

Auch Kaninchen, die in der Natur in Gruppen mit engen sozialen Bindungen leben und zu deren Grundbedürfnissen neben Sozialkontakten die Möglichkeit zu laufen, zu nagen und zu graben gehört, werden im Labor in kleinen Käfigen (1 ½ A4-Seiten Bodenfläche steht ihnen nach dem Gesetz zu) ohne Einstreu und Beschäftigungsmaterial gehalten, wo sie – häufig in Einzelhaltung – nur darauf warten können, für den Versuch oder die Tötung herausgeholt zu werden. Nicht einmal die Fütterung bringt den Tieren Abwechslung, denn sie besteht aus normierten Pellets, die dem Nagetrieb der Tiere in keinster Weise entsprechen.

Wenn die Tiere die Versuche an ihnen überleben, werden sie im Anschluss daran getötet.

Welche Versuchstiere werden verwendet? (Zahlen aus dem Jahr 2017)
Mäuse machen mit über 200.000 Tieren die größte Gruppe an in Tierversuchen verwendeten Tieren aus, dahinter folgen Kaninchen mit über 10.000 Tieren (Quelle: Tierversuchsstatistik 2017 des BMBWF). Der Grund dafür ist einfach: Sie vermehren sich schnell und sind leicht zu halten und zu züchten. Aber auch viele andere Tierarten werden in Tierversuchen eingesetzt, zum Beispiel Affen, Hunde und Katzen. Dabei kommt es nicht selten vor, dass gerade Wildtiere in der Natur gefangen werden, um für Versuche eingesetzt zu werden.

Arten von Tierversuchen
Tierversuche werden nach Schweregraden unterschieden, dabei gibt es 4 Kategorien (Quelle: TVG 2012 §3):

1. „keine Wiederherstellung der Lebensfunktionen“: Tierversuche, die gänzlich unter Vollnarkose durchgeführt werden, aus der das Tier nicht mehr erwacht

2. „gering“: Tierversuche, bei denen zu erwarten ist, dass sie bei den Tieren kurzzeitig geringe Schmerzen, Leiden oder Ängste verursachen, sowie Tierversuche ohne wesentliche Beeinträchtigung des Wohlergehens oder des Allgemeinzustands der Tiere

3. „mittel“: Tierversuche, bei denen zu erwarten ist, dass sie bei den Tieren kurzzeitig mittelstarke Schmerzen, mittelschwere Leiden oder Ängste oder lang anhaltende geringe Schmerzen verursachen, sowie Tierversuche, bei denen zu erwarten ist, dass sie eine mittelschwere Beeinträchtigung des Wohlergehens oder des Allgemeinzustands der Tiere verursachen

4. „schwer“: Tierversuche, bei denen zu erwarten ist, dass sie bei den Tieren starke Schmerzen, schwere Leiden oder Ängste oder lang anhaltende mittelstarke Schmerzen, mittelschwere Leiden oder Ängste verursachen, sowie Tierversuche, bei denen zu erwarten ist, dass sie eine schwere Beeinträchtigung des Wohlergehens oder des Allgemeinzustands der Tiere verursachen

Beispiele für die jeweilige Kategorie findest du hier.

Zudem können Tierversuche verschiedene Zwecke haben (Quellen: Formular „Antrag auf Genehmigung von Tierversuchen“ des BMBWF und Infobroschüre „Was Sie über Tierversuche wissen sollten“ der VetMedUni Wien):

  • Grundlagenforschung: das allgemeine medizinische und naturwissenschaftliche Wissen soll vermehrt werden (es geht nicht um Heilung und Gesundheit, sondern um Befriedigung der Neugierde)
  • translationale Forschung (weiterführende Grundlagenforschung mit höherem Anwendungsbezug und erhoffter Praxisrelevanz)
  • angewandte Forschung (Forschungsvorhaben, die eine konkrete Anwendung der angestrebten Ergebnisse erkennen lassen bzw. dazu dienen, ein bestimmtes praktisches oder technisches Problem zu lösen)
  • Schutz der natürlichen Umwelt im Interesse der Gesundheit oder des Wohlergehens von Mensch oder Tier
  • Forschung im Hinblick auf die Erhaltung der Arten
  • Ausbildung an Hochschulen oder Ausbildung zwecks Erwerb, Erhaltung oder Verbesserung von beruflichen Fähigkeiten
  • forensische Untersuchungen

Rund ein Drittel der Tierversuche wird für die „Grundlagenforschung“ gemacht, sie haben also kein konkretes Forschungsziel, sondern dienen einfach dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Ein weiteres Drittel dient der medizinischen Forschung, während das letzte Drittel zur Prüfung von chemischen Substanzen (z.B. Chemikalien oder Kosmetika) dient.

Wie laufen diese Tierversuche ab?
Wie solche Tierversuche ablaufen, hat Animalfair am Beispiel einiger klassischer Tierversuche skizziert: Ablauf einiger klassischer Tierversuche

Weitere Links zu Beispielen von Tierversuchen findest du hier:

Rechtliche Grundlagen
Tierversuche sind in Österreich meldepflichtig und werden an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung gemeldet, welches eine Statistik zu Tierversuchen herausgibt. Die Statistik des Jahres 2017 findest du hier.

Was überhaupt als Tierversuch gilt, ist seit 01. Jänner 2013 im österreichischen Tierversuchsgesetz 2012 (TVG 2012)  definiert. Tierversuche zeichnen sich dadurch aus, dass einem lebenden Wirbeltier oder Kopffüßler zu wissenschaftlichen (z.B. medizinischen) Zwecken Schmerzen, Leid, Ängste oder dauerhafte Schäden zugefügt werden, die ein bestimmtes Mindestausmaß erreichen oder überschreiten.

Auch ist durch die europaweite Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere gesetzlich geregelt, wie Tierversuche durchgeführt werden müssen (Richtlinie 2010/63/EU).

Seit 01. Jänner 2016 gibt es weiters die Tierversuchs-Kriterienkatalog-Verordnung (TVKKV), die der Objektivierung der Schaden-Nutzen-­Analyse dienen soll.

Sicherheit und medizinischer Fortschritt durch Tierversuche?
95% der Medikamente, die im Tierversuch erfolgreich waren, versagen bei der Anwendung am Menschen – sie sind wirkungslos oder gefährlich. Umgekehrt kommen möglicherweise lebensrettende Medikamente nicht auf den Markt, weil sie beim Versuch an Tieren nicht die erwünschte Wirkung zeigten, die sie auf den Menschen vielleicht gehabt hätten (Quelle: Bericht der Ärzte gegen Tierversuche e.V.).

Nicht nur die Tatsache, dass die Ergebnisse unterschiedlicher Tierarten nicht aufeinander übertragen werden können, spielt dabei eine Rolle. Um menschliche Krankheiten an anderen Tieren zu erforschen, wird versucht, dementsprechende Symptome bei den Tieren hervorzurufen (z.B. Genmanipulation, um Tumorwachstum zu erzeugen, „künstliches“ Herbeiführen eines Schlaganfalles, Zwangsfütterung zur Hervorrufung von „Alkoholsucht“ uvm.). Diese Herangehensweise lässt aber die tatsächlichen Ursachen für die jeweilige Krankheit völlig außer Acht. Dazu kommt, dass die Haltungsbedingungen selbst unter „vereinheitlichten Bedingungen“ in den Labors die Versuchsergebnisse stark beeinflussen (z.B. Schwächung des Immunsystems).

Dass medizinischer Fortschritt nicht von Tierversuchen abhängt, zeigen auch Medikamente, die ohne Tierversuche entwickelt wurden, wie z.B. Aspirin.

Alternativen zu Tierversuchen
Zellkulturen, Tests auf Erbgutschäden bei Bakterien, Hefen oder Pollen, Organsysteme auf Mikrochips und Computersimulationen sowie klinische Studien und Epidemiologie können Versuche an Tieren z.B. ersetzen. In Linz gibt es mit dem ZET (http://www.zet.or.at) ein eigenes Zentrum, das sich mit Ersatzmethoden zu Tierversuchen beschäftigt. Obwohl Ersatzmethoden eigentlich deutlich günstiger, schneller und zuverlässiger als Tierversuche sind, hemmt der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand für die Zulassung (rund $ 300.000,–) die Entwicklung von Alternativen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Methoden mit Ergebnissen aus Tierversuchen – anstatt mit Daten aus der Humanmedizin – verglichen werden, obwohl die Ergebnisse von Tierversuchen bekannterweise ungenau, nicht verlässlich reproduzierbar und nicht auf die Situation beim Menschen übertragbar sind.

„Entweder ist das Tier nicht wie wir, dann gibt es keinen Sinn, mit ihm zu experimentieren, oder es ist wie wir, dann gibt es kein Recht, mit ihm Versuche zu machen, die als empörend betrachtet würden, wenn man es mit einem von uns machte.“ (Gisela Grothe)

Linktipp: Verbrauchersicherheit durch Tierversuche?

Quellen: